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Statistiken zum Fachkräftemangel in Deutschland

Der Fachkräftemangel ist einer der größten Herausforderungen in Deutschland. Nicht nur auf politischer Ebene, denn durch den Arbeitskräftemangel verschlechtert sich vor allem die wirtschaftliche Situation von Unternehmen. Das liegt daran, dass die Nachfrage an Gütern konstant bleibt, während die Produktion aufgrund des Arbeitskräftemangels zurückgeht.

Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich tiefgehend mit den Statistiken zum Fachkräftemangel in Deutschland. Wir zeigen Ursachen, mögliche Folgen, branchenspezifische Aspekte, Lösungen und Perspektiven auf. Zudem vergleichen wir Deutschlands Position im internationalen Vergleich und welche Maßnahmen die Politik ergreifen möchte, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

In diesem Artikel:

Was ist der Fachkräftemangel?

Der Fachkräftemangel bezeichnet den Zustand, dass auf dem Arbeitsmarkt nicht genug Fachkräfte zur Verfügung stehen, um offene Stellen in bestimmten Berufen und Branchen zu belegen. Das Stellenangebot ist also größer als die Nachfrage. Laut Bundeswirtschaftsministerium gibt es in 352 von 801 Berufsgruppen aktuell einen Fachkräftemangel. Das entspricht 44 Prozent aller Berufsgruppen.

In diesem Artikel:

Warum ist der Fachkräftemangel ein relevantes Thema für Deutschland?

2030 wird es in Deutschland voraussichtlich mehr Erwerbspersonen zwischen 65 und 74 als im Alter unter 20 geben. Prognosen stützen sich darauf, dass 1,5 bis 2,4 Millionen der Erwerbstätigen 65 bis 74 Jahre alt sein werden, hingegen nur 1,1 Millionen zwischen 15 und 19.

Altersaufbau der Erwerbspersonen 2019 bis 2060 im Bezug auf den Fachkräftemangel Deutschland.

Trifft diese Prognose zu, steht Deutschland vor gravierenden wirtschaftlichen Herausforderungen. Ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften beeinträchtigt unter anderem die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Es fehlen nämlich Arbeitskräfte für die Wertschöpfung. Für manche Güter könnte die Nachfrage dadurch größer werden als das Angebot, was sich auch auf die Preise für Verbraucher auswirkt.

Die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen werden auch durch Zahlen bestätigt: Ende 2023 bleiben 1,8 Millionen offene Stellen unbesetzt, wodurch mehr als 90 Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren gehen¹.

Hinzu kommt, dass der Fachkräftemangel die Innovationstätigkeit behindert, wenn Unternehmen keine jungen Talente finden, um neue Ideen umzusetzen. Dadurch entwickelt sich Deutschland zu einem unattraktiven Standort sowie das Land in Bereichen wie Digitalisierung und technologischem Fortschritt das Nachsehen hat. Auch finanzielle Nachteile sind die Folgen, denn an innovativen Ideen hängt auch geistiges Eigentum wie Patente, die manchen Unternehmen viel Geld einbringen.

Und von den möglichen Konsequenzen ist nicht nur ein kleiner Teil der Unternehmen betroffen – der DIHK-Report zeigt nämlich auch, dass regelrecht ein Fünftel der suchenden Betriebe kein Problem damit hat, offene Stellen zu besetzen. Der Großteil der Unternehmen ist also unmittelbar vom Fachkräftemangel betroffen.

Umfrage ob Probleme bei der Besetzung offener Stellen bestehen.

Ursachen: Warum gibt es den Fachkräftemangel?

Demographischer Wandel

Der demographische Wandel beschreibt die Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung einer Gesellschaft. Hauptursache ist der Rückgang der Geburtenrate. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht, welchen Einfluss die Anzahl der Geburten auf den demographischen Wandel in Deutschland hat.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg verzeichnete Deutschland hohe Geburtenzahlen. Der Babyboom erreichte 1964 mit 1,36 Millionen Neugeborenen seinen Höhepunkt, gefolgt von einem deutlichen Rückgang der Geburtenrate. Im Jahr 2011 wurde mit 663.000 Neugeborenen die niedrigste Geburtenzahl seit 1946 verzeichnet. Bis zum Jahr 2020 stieg die Zahl wieder an, erreichte jedoch mit insgesamt 773.144 Neugeborenen nicht das Niveau von 1964. 2022, wie im nachfolgenden Bild dargestellt, fiel die Zahl der Neugeborenen erneut auf 738.800.

Anzahl der Neugeborenen im Jahr 2022 in Deutschland

Der demographische Wandel, und somit auch die rückläufige Anzahl der Geburten, ist eine der Hauptursachen für den Fachkräftemangel in Deutschland. Das bestätigen auch die Prognosen: Im Februar 2024 gab es ungefähr 45,9 Millionen Erwerbsfähige in Deutschland², 2030 werden es genauso viele sein. Nur aber mit dem Unterschied, dass die erwerbsfähige Bevölkerung, wie oben bereits erwähnt, wesentlich älter sein wird.

Und diese Entwicklung führt dazu, dass es im Jahr 2060 nur noch 35,7 Millionen Erwerbsfähige in Deutschland gibt. Damit stehen dem Arbeitsmarkt auch weniger Fachkräfte zur Verfügung.

Dem steht entgegen, dass die Wirtschaft aufgrund ihres Wachstums mehr Fachkräfte benötigt. Während also die Nachfrage an qualifiziertem Personal steigt, werden die Geburtenraten weniger. Statistiken zeigen die Folgen für den Arbeitsmarkt – die Geburtenrate ist von 2013 bis 2023 von 682.000 auf 631.000 gesunken, zugleich gab es 2023 laut Statistik 760.608 offene Stellen, im Jahr 2013 waren es lediglich 456.975. Auf dem Arbeitsmarkt entwickelt sich ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage.

Offene, gemeldet Stellen in Deutschland von 2013 - 2024
Offene, gemeldete Stellen im Zeitraum 2013 - 2024

Globaler Wettbewerb

Deutsche Unternehmen stehen in Konkurrenz mit internationalen Firmen. Und hier spielt auch die Auswanderung eine wichtige Rolle. Aufgrund von geringeren Sozialabgaben und den höheren Verdienstmöglichkeiten zieht es viele vor allem in die Schweiz.

Die Zahl der Deutschen, die im Nachbarland arbeiten, steigt jährlich an und dadurch fehlen mehr Fachkräfte im Inland. In Zahlen ausgedrückt: Anfang 2022 hatten fast 311.000 deutsche Bürger ihren Wohnsitz in der Schweiz, im Vorjahr waren es noch 1.800 weniger. Doch auch Länder wie Österreich, Spanien und Frankreich sind beliebte Auswanderungsziele der Deutschen.

Beliebte Auswandersziele der Deutschen im EU Ausland.
Auswanderungsziele der Deutschen im EU Ausland - in Tausend

Mangelnde Attraktivität der Ausbildung

Das deutsche Erfolgsmodell der dualen Ausbildung steht aktuell vor einer Herausforderung, denn immer mehr Schulabsolventen werden auf den akademischen Weg geführt. 2020 erreichte die Nachfrage nach dualen Ausbildungsplätzen laut Bundesinstitut für Berufsbildung mit nur noch 439.300 einen neuen Tiefststand³.

Wiederum schreitet die Akademisierung weiter voran. Rund 2,9 Millionen Studenten sind aktuell an deutschen Hochschulen eingeschrieben. So viele wie fast nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Dadurch spitzt sich die Lage im Handwerk und in den Pflegeberufen weiterhin zu, denn es gibt weniger Nachwuchs an Fachkräften.

Bildungslücke

Ein weiterer Faktor ist die Bildungslücke. Es besteht nach wie vor eine Diskrepanz zwischen den erworbenen Fähigkeiten und den Anforderungen des Arbeitsmarktes. Jährlich verlassen 25.000 Kinder die Schule ohne Abschluss. Ein Fünftel der Arbeitnehmer hat keinen Berufsschulabschluss oder hat keine Hochschule besucht. 2,5 Millionen Menschen sind erwerbslos. Sie könnten bei entsprechender Förderung, Ausbildung und Qualifizierung eine offene Stelle finden.

Fachkräftelücke im Jahr 2021 und 2022 bei Experten, Spezialisten und Fachkräften

Technologieschübe und Digitalisierung

Auch die fortschreitende Digitalisierung ist ein Grund für den Fachkräftemangel. Es entstehen neue Berufsbilder und viele Arbeitskräfte können deren Anforderungen nicht erfüllen. Vor allem die schnelle Entwicklung von Künstlicher Intelligenz setzt neue Fähigkeiten voraus, die nicht jeder vorweisen kann.

Hierbei ist es auch wichtig, einen Blick auf die Arbeitslosigkeit zu werfen: Eine Studie des OECD zeigte im Herbst 2022 auf, dass rund jeder zehnte Deutsche (9,7%) zwischen 18 und 24 Jahren weder einer Arbeit nachgeht noch eine Ausbildung absolviert. Das sind knapp 590.000 junge Menschen. Technologien und Digitalisierung schreiten also weiter voran, während viele Menschen gar nicht in den Arbeitsmarkt eingegliedert sind. Die Anforderungen steigen, erworbene Fähigkeiten veralten schneller und für Arbeitslose wird es dadurch noch schwieriger, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Welche Folgen hat der Fachkräftemangel?

Der IW-Ökonom Alexander Burstedde hat analysiert, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Laut seiner Studie werden 556 der 1300 Berufsgruppen bis 2026 zu den Engpassberufen zählen, in denen der Bedarf die Anzahl der Beschäftigten überschreitet. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 gab es lediglich 408 Engpassberufe.

Berufsfeld Fachkräftelücke 2026 Steigerung zu 2021
Verkauf
26.192
+ 26.192
Kinderbetreuung /-erziehung
22.941
+ 6.851
Sozialarbeit & Sozialpädagogik
20.268
+ 4.813
Informatik
15.052
+ 4.645
Medizinischer Angestellter
13.587
+ 6.387
Elektrotechnik
8.750
+ 2.177
Steuerberatung
8.286
+ 2.388
Buchhaltung
8.213
+ 5.404
Maler & Lackierer
6.920
+ 6.920
Metallbau
6.856
+ 2.875

Zudem erhöht sich die Fachkräftelücke in 255 der 1300 Berufsgruppen bis 2026 deutlich. Teilweise wird der Mangel größer, obwohl mehr Menschen in den Berufen arbeiten – denn der Bedarf steigt weiter an. Und selbst Berufe, die noch nicht vom Fachkräftemangel betroffen sind, werden bis 2026 an die Spitze der Engpass-Berufe springen, darunter auch Verkäufer und Kassierer.

Deutlicher zeigen sich die Folgen des Fachkräftemangels anhand der Umfragen von betroffenen Unternehmen: Laut dem bereits erwähnten DIHK-Report erwarten 82 Prozent der Befragten negative Folgen für ihr Unternehmen. 60 Prozent befürchten eine Mehrbelastung der vorhandenen Belegschaft und 40 Prozent, dass sie ihr Angebot einschränken müssen und somit Aufträge verlieren.

Die Umfrage bestätigt auch, dass Deutschland als Wirtschaftsstandort weniger interessant sein wird. Aufgrund des Fachkräftemangels können nämlich 16 Prozent der Unternehmen weniger in Deutschland investieren. Das betrifft insbesondere die Industrie (22 Prozent), den Werkzeugmaschinenbau (32 Prozent) und den Kraftfahrzeugbau (31 Prozent) sowie auch die Medizintechnik (27 Prozent) und die Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen Geräten und optischen Erzeugnissen (22 Prozent).

Diese Entwicklung hat verschiedene Gründe. Zum einen führt der Fachkräftemangel zu einem Produktivitätsverlust, denn es stehen weniger Arbeitskräfte zur Verfügung und Unternehmen können ihre Kapazitäten nicht vollständig auslasten. Das bewegt Unternehmen zu Investitionen in anderen Ländern, in denen es mehr Fachkräfte gibt und somit auch eine bessere Wertschöpfung möglich ist.

Darüber hinaus führt das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage zu höheren Lohnkosten, denn Unternehmen müssen qualifiziertes Personal mit einer besseren Bezahlung locken. Die Personalkosten steigen, aber die Produktivitätsengpässe bleiben wegen Personalmangel bestehen – dadurch steht weniger Kapital für Investitionen zur Verfügung. 

 

Erwartete Folgen für Unternehmen durch den Fachkräftemangel in Deutschland.
Folgen, die Unternehmen künftig bei anhaltenden Fachkräftemangel befürchten

Auswirkungen auf das Rentensystem

Im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel sind auch die Folgen für das Rentensystem zu erwähnen. Vor allem in den letzten Jahren zeichneten sich finanzielle Herausforderungen im Rentensystem ab, weshalb die Politik des Öfteren über eine Erhöhung der Beiträge oder die Anhebung des Renteneintrittsalters diskutiert. Und ein Grund dafür ist auch der Fachkräftemangel.

 

Wie bereits erwähnt, wird es 2030 voraussichtlich mehr Erwerbspersonen zwischen 65 und 74 als im Alter unter 20 geben. Diese Entwicklung wird sich auch auf das Rentensystem auswirken, denn diese Prognosen sprechen dafür, dass die Gesellschaft älter wird. Und das bedeutet auch, dass es irgendwann mehr Rentner als Erwerbstätige gibt.

Es ist falsch, den Fachkräftemangel als einzigen Grund für die Entwicklung des Rentensystems zu sehen. Auch andere Faktoren wie z. B. längere Ausbildungszeiten oder dass mehr junge Menschen studieren, spielen ebenfalls eine Rolle, dennoch gewichten sie nicht so stark wie der demographische Wandel und der damit eingehende Mangel an Arbeitskräften.

Fachkräftemangel: Welche Berufe sind betroffen?

Bei der Analyse des Fachkräftemangels ist zwischen den verschiedenen Branchen auf dem Arbeitsmarkt zu unterscheiden. Prinzipiell sind alle Sektoren von dem Fachkräftemangel betroffen, selbst beliebte Berufszweige wie Informatik. Doch laut Experten hängt das Ausmaß des Fachkräftemangels dennoch von der Branche ab, wie die nachfolgende Tabelle für 2022 zeigt:

Pos. Branche Fehlende Fachkräfte
1.
Sozialarbeit & Solzialpädagogik
20.578
2.
Kinderbetreuung & -erziehung
20.466
3.
Altenpflege
18.279
4.
Bauelektrik
16.974
5.
Gesundheits- & Krankenpflege
16.839
6.
Sanitär-, Heizung-, Klimatechnik
14.013
7.
Informatik
13.638
8.
Physiotherapie
12.060
9.
KFZ-Technik
11.771
10.
Berufskraftfahrt
10.562

Informatik auf Platz 7 erwarten wohl die wenigsten. Immerhin ist Informatik hinter BWL der beliebteste Studiengang bei Männern. Und nicht nur das – der Ausbildungsberuf des Fachinformatikers ist aktuell der beliebteste Beruf hinter Erzieher/In, wie das nachfolgende Ranking zeigt:

  1. Erzieher
  2. Fachinformatik
  3. Filmeditor / Videoeditor
  4. Finanzwirt
  5. Bauzeichner
  6. Elektroniker im Handwerk
  7. Koch
  8. Kaufmann im E-Commerce
  9. Konditor
  10. Sektions- & Präpartionsassistent

11. Tischler
12. Friseur
13. Industriekaufmann
14. Automobilkaufmann
15. Zahntechniker
16. Immobilienwirt
17. Verwaltungsfachangestellter
18. Tiermedizinischer Fachangestellter
19. Rettungssanitäter
20. Immobilienkaufmann

Die Informatik ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein großes Angebot an Fachkräften nicht ausreicht, wenn es mit der Nachfrage nicht mithält.

Branchenübergreifend zeigt sich erst das volle Ausmaß des Fachkräftemangels: Im Schnitt können deutschlandweit 45 Prozent der offenen Stellen nicht besetzt werden. Der Bedarf an Fachkräften ist laut IAB daher so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Demnach vermeldeten 40 Prozent der Betriebe im ersten Halbjahr 2022 einen Bedarf an Fachkräften. Vor zehn Jahren lag die Quote noch bei 28 Prozent.

Die Frage lautet daher weniger, ob der Fachkräftemangel in einer bestimmten Branche existiert, sondern wie präsent dieser ist. Das zeigt sich auch mit Blick auf die öffentliche Verwaltung: Diese ist zwar am wenigsten vom Fachkräftemangel betroffen, dennoch können 10 % der offenen Stellen nicht besetzt werden.

Die Gründe für die branchenspezifischen Herausforderungen sind meistens gleich: Zu schlechte Bezahlung oder die hohe Belastung. In sozialen Berufen wie Erzieher werden diese Herausforderungen besonders deutlich: Laut Verdi geben 40 % der Angestellten an, dass sie überlegen, den Job zu wechseln oder gar zu verlassen, weil sie sich überlastet fühlen.

Im Handwerk sieht es nicht besser aus. Berufe wie Tischler und Maurer haben laut “DiePresse” die höchste Unzufriedenheit. Aber auch Kassierer sind in dem Ranking vertreten. Die schlechte Bezahlung und die Arbeitsbedingungen sind hierbei nicht die einzigen Probleme, denn viele dieser Berufe haben auch schon lange ein Imageproblem – im Handwerk oder an der Kasse zu arbeiten klingt im Lebenslauf nicht so gut wie ein Jurastudium.

Diesen Herausforderungen kann man sich nicht von heute auf morgen stellen, doch die Betriebe gehen Schritte in die richtige Richtung. Attraktive Werbung auf Social Media soll junge Menschen motivieren, über eine Laufbahn im Handwerk nachzudenken.

Stark betroffen: Die Pflege

Laut der Hans-Boeckler-Stiftung fehlen bundesweit bis zu 50.000 Vollzeitkräfte in der Intensivpflege oder in Krankenhäusern. Eine einfache Lösung des Problems wäre nicht in Sicht, weshalb die Politik auf Bundes- und Länderebene dringend handeln müsse.

Im Jahr 2020 verfügten deutsche Krankenhäuser über knapp 28.000 Intensivbetten, von denen durchschnittlich etwa 21.000 belegt waren. Die Anzahl der Pflegekräfte in diesem Bereich entspricht ungefähr 28.000 Vollzeitäquivalenten. Allerdings basieren Schätzungen über den Mangel von etwa 3.000 bis 4.000 Pflegefachkräften auf den Stellenplänen der Krankenhäuser, die stark von wirtschaftlichen Faktoren beeinflusst sind. Somit bleibt das tatsächliche Ausmaß des Personalmangels oft verborgen.

Unter Berücksichtigung nicht nur wirtschaftlicher Kriterien geht der Personalmangel laut Prof. Dr. Michael Simon weit über die bisher diskutierte Zahl hinaus. Gemäß der Pflegepersonaluntergrenzenverordnung (PpUGV) wären für 21.000 Intensivbetten bundesweit sogar 50.800 Vollzeitkräfte erforderlich, was deutlich über den vorhandenen 28.000 liegt. Um die Pflegepersonaluntergrenzen einzuhalten, wäre daher eine Verdoppelung des aktuellen Personalbestands erforderlich.

Um den Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) gerecht zu werden, wären sogar 78.200 Vollzeitkräfte notwendig. Das ergibt für das Jahr 2020 eine Unterbesetzung von 50.000 Vollzeitkräften. Um diesen Mangel auszugleichen, wäre eine Verdreifachung des Personalbestands erforderlich.

Fachkräftemangel in der Pflege - über 50.000 fehlen

Regionale Unterschiede sind zu berücksichtigen

Der Fachkräftemangel ist eine bundesweite Herausforderung, dennoch sind bestimmte Regionen stärker betroffen als andere. Besonders stark betroffen sind Bayern und Baden-Württemberg, denn diese Bundesländer haben die größte Fachkräfteengpass-Quote.

Bestätigt wird das durch eine Statistik aus dem Jahr 2018: Der Wert, also die Engpass-Quote, belief sich in Berlin auf knapp 42 Prozent, in Bayern auf über 86 Prozent. In Baden-Württemberg lag der Wert sogar bei 88 Prozent. Für die Praxis heißt das, dass acht bis neun von zehn Stellen nur schwer zu besetzen sind. Dadurch sind viele mittelständische Unternehmen von der Fachkräftesituation betroffen.

Regionaler Fachkräfteengpass nach Arbeitsagenturbezirk
Regionaler Fachkräfteengpass nach Arbeitsagenturbezirk (2018)

Deutschland im internationalen Vergleich

Laut Euronews wiesen die Niederlande mit 4,7 % der insgesamt zu besetzenden Stellen in der EU die höchste Quote an unbesetzten Stellen auf. Gefolgt von Belgien und Österreich. Deutschland liegt auf Platz 4 mit etwas mehr als 4 %. An sich scheint die Zahl nicht hoch zu sein, doch es gibt auch viele Länder mit einer Quote zwischen 1 und 2 Prozent. Auch Frankreich ist gerade mal bei etwas über 2 %. In Bulgarien und Rumänien sind es im Vergleich nur 0,8 %.

Anzahl unbesetzter Stellen in der EU (2023)
Anzahl unbesetzter Stellen in der EU (2023)

Solche Statistiken müssen aber in den Kontext gesetzt werden. Die Anzahl offener Stellen spricht nämlich auch für die wirtschaftliche Stärke eines Landes. Bulgarien und Rumänien sind wirtschaftlich schwächer, dementsprechend besteht eine geringere Nachfrage an Fachkräften und es gibt weniger offene Stellen.

Lösungsansätze: Maßnahmen gegen Fachkräftemangel

Inklusion von Menschen mit Behinderung

Eine zentrale Herausforderung in der Fachkräftesicherung besteht darin, Qualifizierungsangebote zu schaffen, um Menschen mit Behinderungen besser in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Laut der Bundesagentur für Arbeit möchten fast 170.000 Menschen mit Schwerbehinderung gerne arbeiten und verfügen bereits über eine überdurchschnittlich gute Qualifikation.

In der Politik und auch auf dem Arbeitsmarkt rückt Inklusion als Thema zunehmend in den Vordergrund. Schon seit Jahren gibt es z. B. sogenannte Inklusions-Cafes, die Stellen für Menschen mit Behinderung schaffen. Zudem hat der Bundesrat 2023 einem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes zugestimmt.

Konkret sieht das Gesetz vor, dass Arbeitgeber eine Ausgleichsabgabe leisten müssen, wenn sie trotz Beschäftigungspflicht keine Schwerbehinderten anstellen. Von dieser Ausgleichsabgabe sind Betriebe mit mindestens 20 Arbeitsplätzen betroffen, die nicht wenigstens fünf Prozent davon mit schwerbehinderten Menschen besetzen (§154 SGB IX). Für jeden nicht mit einem schwerbehinderten Menschen besetzten Pflichtarbeitsplatz ist eine Ausgleichsabgabe zu zahlen, deren Höhe sich nach der Zahl der besetzten Pflichtarbeitsplätze richtet.

Die Gelder aus dieser Ausgleichsabgabe sollen vollständig in die Förderung zur Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung fließen. Und auch Arbeitgeber profitieren von dem Gesetz, indem die Begrenzung des Lohnkostenzuschusses beim Budget für Arbeit aufgehoben wird. Das Budget für Arbeit soll Menschen mit Behinderung den Einstieg auf dem Arbeitsmarkt erleichtern und gleicht einem dauerhaften Zuschuss zu den Lohnkosten.

Aufstockung von Teilzeitkräften

Im Jahr 2019 arbeiteten mehr als 4,6 Millionen Menschen in Teilzeit, was für den Erfolg dieses Modells spricht. Doch Teilzeitarbeit findet nicht nur Zustimmung, denn viele kritisieren die erhöhte Arbeitsbelastung und dass Unternehmen offene Stellen mit schlechterer Bezahlung schaffen. Aus dem eigenen Umfeld haben wir die Erfahrung gemacht, dass Angestellte in Teilzeit oft eine ähnliche Arbeitsauslastung wie Vollzeitangestellte haben und dadurch viele Überstunden sammeln. Doch es gibt auch Vorteile, beispielsweise die erhöhte Flexibilität und dass Angestellte mehr Freizeit haben.  

Vorteile Teilzeitarbeit Nachteile Teilzeitarbeit
Gute Work-Life-Balance
Niedrige Aufstiegschancen
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Höhere Arbeitsbelastung durch Überstunden
Chancen auf Studium & Weiterbildung
Geringeres Einkommen
Geringere Sozialabgaben
Weniger Kontakt zu Kollegen
Flexible Arbeitszeiten
Niedrigere Pensions- und Rentenansprüche

Um Teilzeitarbeit zu fördern, gibt es seit 2020 die Berufsausbildung in Teilzeit. Davon profitieren vor allem Personengruppen, die man sonst schwer in den Arbeitsmarkt eingliedern könnte – zum Beispiel junge, alleinerziehende Mütter. Und es gibt mehr Arbeitsplätze, denn offene Stellen müssen keine wöchentliche Arbeitsauslastung von 35 bis 40 Stunden haben. Ein Aufgabenbereich mit Tätigkeiten im Umfang von 10 – 15 Stunden pro Woche reicht schon aus, um eine neue Stelle zu schaffen.

Entwicklung hybrider Arbeitsmodelle

Die Corona-Pandemie hat einen Arbeitstrend forciert: Remote Work. Immer mehr Angestellte arbeiten von zuhause aus, das bestätigt auch das statistische Bundesamt:

Anteil der Erwerbstätigen im Homeoffice von 2017 bis 2022
Anteil der Erwerbstätigen im Homeoffice

Interessant ist vor allem der Sprung von 2019 auf 2020. Durch die Corona-Pandemie erhöhte sich die Anzahl der Erwerbstätigen im Homeoffice um 8 %. Während der Pandemie hatten Unternehmen keine Wahl, denn sie waren verpflichtet, die Arbeit im Homeoffice zu genehmigen – und dadurch haben sie erkannt, dass viele Fachkräfte problemlos mobil arbeiten können, vorausgesetzt es gibt arbeitsrechtlich und technisch passende Lösungen.

Die Vorteile für Angestellte im Homeoffice sind höhere Flexibilität und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.Zudem können Arbeitnehmer selbstbestimmter arbeiten und sparen sich den Weg zum Betrieb. Hybride Arbeitsmodelle steigern zudem auch die Produktivität und Motivation der Mitarbeiter, was die nachfolgende Umfrage bestätigt:

Produktivität im Homeoffice (2021):

Produktivität im Homeoffice im Jahr 2021 höher als im Vorjahr

Doch auch Unternehmen profitieren von hybriden Arbeitsmodellen. Arbeitgeber müssen keine Räumlichkeiten bereitstellen und erschließen eine überregionale Zielgruppe im Bewerbungsprozess. Zudem wirkt sich die Möglichkeit für Homeoffice positiv auf das Unternehmensimage und die -kultur aus, denn hybride Arbeitsmodelle sprechen für eine gute Vertrauensbasis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern.

Digitalisierungsgrad im Ländervergleich (2022):

Digitalisierungsgrad der Länder im Überblick

Anreize durch Unternehmen

Der Fachkräftemangel ist keine ausschließlich politische Angelegenheit. Die Nachfrage für offene Stellen hängt nämlich auch davon ab, welchen Ruf das Unternehmen genießt und welche Benefits es den Arbeitnehmern verspricht. Vor allem die Vergütung ist ein häufig kritisierter Aspekt und auch der Grund, weshalb Mitarbeiter einen neuen Job suchen. Das bestätigt die nachfolgende Statistik:

Höhere Gehälter, flexible Arbeitsmodelle und eine moderne Unternehmenskultur tragen dazu bei, dass sich Angestellte wohlfühlen. Und das wirkt sich dementsprechend positiv auf die Bewerberzahlen aus.

Vor allem für kleine Betriebe ist es schwierig, ein attraktives Weiterbildungsangebot zu fördern oder höhere Gehälter zu bezahlen – deshalb muss auch die Politik zugunsten der Unternehmen entscheiden und bessere Bedingungen fördern. Ein Beispiel hierfür sind weitere finanzielle Förderungen für die Digitalisierung oder für Weiterbildungen.

Doch auch die Sozialpolitik ist eine Baustelle. Durch das Bürgergeld ist es attraktiver geworden, nicht mehr zu arbeiten. Zwar verdienen Erwerbstätige mehr als Bürgergeldempfänger, aber beim direkten Vergleich mit Mindestlohnempfängern fällt die Rechnung nicht so deutlich aus – laut Frankfurter Rundschau verdienen Alleinstehende in Vollzeit gerade mal 532 € mehr als ein Bürgergeldempfänger bekommt. Hinzu kommen die bürokratischen Vorteile im Vergleich zu Hartz IV, z. B. dass die Ersparnisse höher sein dürfen.

Es fehlt der Anreiz zu arbeiten und das bestätigt auch eine Befragung. Die Hälfte der Teilnehmer ist der Meinung, Arbeit lohnt sich nicht mehr. Eine Studie kommt zwar zu einem anderen Ergebnis, aber die Perspektive der befragten Bürger zeigt dennoch, dass viele den Anreiz zum Arbeiten verlieren. Und das wird sich langfristig an den Bemühungen um offene Stellen zeigen.

Welche Rolle spielt das Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland?

Ende März wurde vom Bundeskabinett der neue Gesetzentwurf zur Fachkräfteeinwanderung beschlossen. Vorgestellt wurde der Entwurf von Nancy Faeser und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Ziel ist es, die Einwanderung qualifizierter Drittstaatsangehöriger zu fördern und die jährliche Zuwanderung um bis zu 60.000 Personen zu steigern. Bis zu 400.000 Menschen aus dem Ausland brauche es laut Bundesarbeitsagentur-Chefin Andrea Nahles (im November 2022) jedes Jahr, um den Bedarf an Fachkräften zu decken.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtern. Jedoch ist das keine Lösung für die bestehenden Schwierigkeiten bei der Integration von Fachkräften. Laut DIHK-Report beklagen 62 % der Unternehmen die sprachlichen Barrieren als größte Herausforderung bei der Integration und eine erhöhte Zuwanderung löst dieses Problem nicht. Es verbessert sich nämlich nicht die Qualität der zugewanderten Fachkräfte und genau das sollte die Politik fokussieren. Eine quantitative Zuwanderung bringt mehr potenzielle Fachkräfte auf den Markt, aber diese können schwerer integriert werden. Und im schlimmsten Fall erhöht das die Arbeitslosigkeit.

In einer Prognose skizziert das IW über drei Zukunftsszenarien die mögliche Entwicklung des Fachkräfteangebots in Deutschland bei niedriger, mittlerer und hoher Zuwanderung. Bei einer geringen Zuwanderung könnten 2040 bereits um die 4,2 Millionen Fachkräfte fehlen, bei einer hohen Zuwanderung in Kombination mit einem späteren Renteneintrittsalter bleibt die Zahl der aktiven Fachkräfte ungefähr wie heute.

Derartige Prognosen sind jedoch kritisch zu hinterfragen. Zum einen löst Einwanderung nicht die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt. Denn solange es sprachliche Barrieren gibt oder Einwanderer die Anforderungen der Unternehmen nicht erfüllen, können sie sich nicht in den Arbeitsmarkt eingliedern. Zum anderen wird mit dem beschlossenen Gesetz die Einwanderung zwar quantitativ gefördert, aber nicht qualitativ. Ohne Investitionen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt sind derartige Gesetze und Maßnahmen nicht zielführend.

Kritik am Fachkräftemangel

Zu dem Fachkräftemangel gibt es auch kritische Stimmen, darunter von Arbeitsmarktexperten Karl Brenke. Er sagte: “Das Geschrei der Unternehmen ist viel heiße Luft.” Zwar gibt er zu, dass es in vielen Branchen (z. B. MINT-Berufe – Mathematik, Information, Natur- und Ingenieurwissenschaften) einen Fachkräftemangel gibt, aber laut ihm nutzen viele Personalabteilungen den Fachkräftemangel als Ausrede, um offene Stellen zu rechtfertigen.

Zudem ist der Fachkräftemangel eine Auslegungssache – ein Mangel an Fachkräften bedeutet nicht zwingend, dass es keine Arbeitskräfte gibt, sondern Unternehmen keine Angestellten zu den vorgegebenen Konditionen und Rahmenbedingungen finden. Also auch wenn manche Unternehmen regelrecht zu wenig Gehalt bezahlen, sind damit die Anforderungen an einen Fachkräftemangel erfüllt – es liegt nämlich ein Arbeitskräftemangel zu den jeweiligen Rahmenbedingungen vor.

Ökonomisch gesehen macht es Sinn, dass es in wirtschaftlich starken Regionen auch einen höheren Bedarf an Arbeitskräften gibt. Wächst die Wirtschaft, gibt es mehr Arbeitsplätze. Das zeigt sich sehr gut an dem regionalen und internationalen Vergleich. Wirtschaftlich schwächere Länder wie Rumänien und Bulgarien erreichen bei den offenen Stellen nicht mal eine Quote von 1 %, während die Niederlande und Deutschland bei über 4 % liegen. Das ist logisch, denn diese Länder gehören zu den wirtschaftlich stärksten in der EU.

Darüber hinaus besteht auf dem Arbeitsmarkt die Herausforderung, dass es zwischen den verfügbaren Fachkräften und Unternehmen oft keine Übereinstimmung gibt. Entweder weil sich die Parteien nicht einig werden, beispielsweise bei der Gehaltsfrage, oder weil Bewerber nicht die Anforderungen des Unternehmens erfüllen. Zudem stellt die Integration der Fachkräfte aus dem Ausland eine Herausforderung dar, denn bürokratische Hürden erschweren den Einstieg in das Arbeitsleben. Hinzu kommt, dass eine ausländische Ausbildung nicht zwangsläufig die deutschen bzw. europäischen Standards erfüllt.

Perspektiven zum Fachkräftemangel

Externe Faktoren

Auf viele Faktoren haben Unternehmen schlichtweg keinen Einfluss. Darunter die Geburtenrate oder dass Menschen mit Asylverfahren einem Beschäftigungsverbot unterliegen, das teilweise über mehrere Jahre greift. Bei letzterem sind Handlungen von Seiten der Politik gefragt, um Unternehmen zu unterstützen. Das Gesetz der Bundesregierung zur Förderung von Fachkräften aus dem Ausland fördert zwar die Einwanderung potenzieller Fachkräfte, aber die bürokratischen Hürden bleiben gleich. Es müssen sich die Rahmenbedingungen ändern.

Ein weiterer Faktor ist der demographische Wandel. Unternehmen können zwar junge Talente anwerben, aber bei einer geringen Geburtenrate fehlt trotzdem der Nachwuchs. Der Wettbewerb um High Potentials wird größer und es entsteht ein Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage.

Migration fördern

Der größte Einwand von Unternehmen mit Blick auf ausländische Fachkräfte sind die sprachlichen Barrieren (62 %). Genau hier könnten Unternehmen eigenständig ansetzen und Sprachkurse anbieten und auch die interkulturelle Kommunikation fördern. Doch auch die Politik ist hier gefragt und muss das Angebot für die Integration verbessern, um sprachliche Barrieren zu beseitigen.

Fachkräftemangel in Deutschland durch Migration entgegenwirken

Anreize für duale Ausbildung und Imageförderung

2020 erreichte die Nachfrage nach dualen Ausbildungsplätzen laut Bundesinstitut für Berufsbildung mit nur noch 439.300 einen neuen Tiefststand. Grund dafür ist die Akademisierung von Deutschland. Ausbildungsberufe haben keinen so guten Ruf wie Berufe, die ein abgeschlossenes Studium erfordern, zudem sind die Aufstiegschancen und Gehaltsperspektiven schlechter.

Und genau hier müssen Unternehmen ansetzen, indem sie Aufstiegschancen aufzeigen, attraktive Werbung schalten, Partnerschaften mit Schulen eingehen und Auszubildende die Übernahme nach der Ausbildung garantieren. Ein Handwerksmeister verdient nicht zwingend weniger als ein Anwalt und ein Studium ist auch noch später berufsbegleitend möglich – derartige Benefits müssen kommuniziert werden.

Mit Blick auf den Fachkräftemangel spielt aber auch das Einkommen eine wichtige Rolle. So geben laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 16,3 % der Unternehmen an, dass sie offene Stellen nicht besetzen konnten, weil die Bewerber mehr Geld forderten, als die Unternehmen bezahlen möchten.
Interessant ist hierbei auch der Vergleich der Gehälter und Löhne aus dem Jahr 2022. Die Bundesagentur für Arbeit hat Mangelberufe analysiert und festgestellt, dass ungefähr die Hälfte unter dem durchschnittlichen Einkommen der Mangelberufe liegt. Im Vergleich zu 2017 sind nur in zwei von 15 Berufen die Gehälter nennenswert gestiegen.

Beruf/ Branche Gehalt (€) Gehaltszuwachs
Versicherungskaufleute
5.000 €
+ 6,6 %
Information & Telekommunikation
4.070 €
+ 14,1 %
Krankenpflege
3.930 €
+ 15,4 %
Altenpflege
3.610 €
+ 31,5 %

Durchschnitt aller Fachkräfte


3.380 €

+ 14,1 %
Metallbau
3.270 €
+ 7,2 %
Sanitär-, Heizung-, Klimatechnik
3.270 €
+ 4,6 %
Kraftfahrzeugtechnik
3.240 €
+ 5,4 %

Durchschnitt der Mangelberufe


3.160 €

+ 11,4 %
Steuerberatung
3.110 €
+ 9,0 %
Holz-, Möbel-, Innenausbau
3.000 €
+ 14,2 %
Objekt-, Personenschutz
2.950 €
+ 11,3 %
Med. Fachangestellte
2.780 €
+ 11,2 %
Zahnmed. Fachangestellte
2.360 €
+ 9,9 %
Gastronomieservice
2.230 €
+ 22,2 %
Verkauf Back-, Konditoreiwaren
2.110 €
+ 14,8 %

Weiterbildung digitaler Fähigkeiten

In ausgewählten Branchen übernehmen Software und generative KI eine Vielzahl an Aufgaben. Unternehmen müssen in die Weiterbildung ihrer Angestellten investieren und sie fördern, damit sie den Umgang mit Software, KI und modernen Kommunikationstools lernen. Workshops und Inhouse-Schulungen sind hier der Schlüssel zum Erfolg.

Doch auch die Politik muss aktiv werden. Durch die rasante Entwicklung moderner Technologien können viele nur schwer Fuß in der Arbeitswelt fassen. Es müssen Investitionen in Bildungspakete und zur Modernisierung des Arbeitsmarktes getätigt werden, damit Deutschland auf internationaler Ebene wettbewerbsfähig bleibt und Fachkräfte wichtige Fähigkeiten im Umgang mit modernen Technologien erlernen.

Angestellte besser binden

Die Mitarbeiterbindung spielt eine wichtige Rolle beim Fachkräftemangel. Eine gesunde Fluktuationsrate liegt bei weniger als 10 %, weniger streng genommen bei vielleicht bis 12 %. Im Jahr 2022 lag die Fluktuationsrate laut IWD jedoch bei 33 %. Diese hohe Quote ist aber nicht nur durch die Corona-Pandemie bedingt, denn bereits in den Jahren davor lag die Fluktuationsrate konstant bei ungefähr 30 %.

Mit Blick auf die Fluktuation sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. Einer davon ist der Umstand, dass jüngere Arbeitnehmer öfter den Job wechseln. Millennials und die Gen Z wünschen sich mehr Abwechslung und betreiben daher mehr „Job-Hopping“. Laut einer Befragung bezeichnen sich 83 % der Gen Z selbst als Job-Hopper. Über die Gründe kann man nur spekulieren, die Tendenz geht aber in die Richtung, dass sich junge Arbeitnehmer mehr Abwechslung wünschen und mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden sind.

Das bringt uns zum zweiten Aspekt: Die Seite des Arbeitgebers. Arbeitsunzufriedenheit, irreführende Stellenausschreibungen, schlechtes Onboarding, fehlende Aufstiegsmöglichkeiten, unterdurchschnittliche Bezahlung und mangelnde Anerkennung. Genau hier müssen Unternehmen ansetzen.

Jüngere Arbeitnehmer wünschen sich zwar mehr Flexibilität und eine bessere Work-Life-Balance, doch die Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten sind weiterhin das A und O. Ein gutes Arbeitsklima bezahlt schließlich nicht die Miete. Die anderen Faktoren werden dadurch aber nicht unwichtig – laut einer Umfrage gibt jeder Zweite an, das Unternehmen wegen der schlechten Führung zu verlassen. Und die bereits erwähnte Umfrage von Verdi zeigt auch, dass die Fluktuationsrate in sozialen Berufen auf den schlechten Arbeitsbedingungen beruht.

Zukünftig werden viele Unternehmen mit noch höheren Fluktuationsraten konfrontiert werden und Hauptgrund dafür ist vor allem Social Media. Werbeanzeigen sprechen Mitarbeiter an und über LinkedIn gewinnen Angestellte mehr Einblicke in den Arbeitsalltag von anderen Unternehmen. Durch LinkedIn ist es zudem leichter, neue Stellenausschreibungen zu finden. Doch auch Portale wie Kununu haben Einfluss auf die Entwicklung, denn Angestellte haben mehr Transparenz zu den Verdienstmöglichkeiten bei anderen Unternehmen oder wie gut Mitarbeiter das Arbeitsklima bewerten.

Mitarbeiterbefragungen sind der beste Weg, um das Verbesserungspotenzial zu erkennen und Angestellte zu binden. Die Gründe für Fluktuation sind in jedem Unternehmen anders, deshalb müssen Führungskräfte den Kontakt zu ihren Angestellten suchen, um die Gründe zu erfahren und anschließend Lösungen auszuarbeiten.

Einstellung der Gen Z

Abgesehen von Unternehmen und der Politik gibt es noch einen dritten Akteur beim Fachkräftemangel: Angestellte. Vor allem die Gen Z fordert mehr Flexibilität und eine bessere Work-Life-Balance. An sich sind diese Forderungen auch legitim, doch die veränderte Haltung zur Arbeitswelt spielt beim Fachkräftemangel durchaus eine Rolle. Denn für manche Bewerber kommt ein Unternehmen nur in Frage, wenn es die 4-Tage-Woche oder Homeoffice anbietet. In manchen Unternehmen oder Branchen ist das aber nicht möglich.

Es sind also nicht nur Unternehmen gefragt, um etwas zu verändern. Auch Mitarbeiter müssen ihre Einstellung hinterfragen. Mehr Gehalt und bessere Aufstiegschancen sind legitime Forderungen, doch die Einstellung á la „Ich möchte 3.000 € netto bei vier Tage Arbeit“ führt zu Missmatching. 

Neue Möglichkeiten wahrnehmen

Unternehmen sollten auch offen sein und neue Möglichkeiten in Erwägung ziehen – zum Beispiel Social Recruiting, um mit gezieltem Targeting passende Fachkräfte zu finden und sie mit attraktiver Werbung anzusprechen. Täglich nutzen Millionen von Menschen die verschiedenen Social-Media-Kanäle wie LinkedIn, Facebook oder Instagram. Mit den richtigen Werbebotschaften besetzen Unternehmen die offenen Stellen erfolgreich.

Zusammenfassung und Ausblick

Der Fachkräftemangel in Deutschland stellt für Unternehmen und auf politischer Ebene eine der größten Herausforderungen dar. Der Mangel an qualifiziertem Personal erstreckt sich über alle Sektoren der Wirtschaft und wird langfristig negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaft haben. Laut Prognosen des Bundeswirtschaftsministeriums sind derzeit bereits 44 Prozent aller Berufsgruppen von dem Fachkräftemangel betroffen.

Die Ursachen sind vielfältig. Ein wesentlicher Faktor ist der demographische Wandel, der zu einem Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter führt. Gleichzeitig zieht es viele qualifizierte Arbeitskräfte ins Ausland. Auch die mangelnde Attraktivität der dualen Ausbildung trägt zur Verschärfung des Fachkräftemangels bei.

Die Auswirkungen sind bereits spürbar: Offene Stellen bleiben unbesetzt, was zu einem Verlust von Wertschöpfung und einer Behinderung der Innovationsaktivitäten führt. Unternehmen sind gezwungen, ihr Angebot einzuschränken und verlieren dadurch Aufträge. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland aus, sondern auch auf die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes insgesamt.

Besonders betroffen sind Berufe in der Pflege und im Handwerk. Hier sind Engpässe bereits spürbar, und die Situation wird sich voraussichtlich weiter verschärfen. Lösungsansätze wie die Förderung von Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, die Verbesserung der Unternehmenskultur und die Weiterbildung digitaler Fähigkeiten werden diskutiert, aber es bleibt eine komplexe Herausforderung, die eine Vielzahl von Maßnahmen erfordert, um sie zu bewältigen.

Offene Fragen als Denkanreiz

  • Ist der Fachkräftemangel regelrecht ein politisches Instrument, um bestimmte Ziele zu erreichen? Falls ja, warum oder warum nicht?
  • Inwiefern kann es einen Fachkräftemangel geben, wenn offene Stellen die wirtschaftliche Stärke eines Landes unterstreichen und daher in Wachstumsphasen völlig normal sind? Und es auf einem fortschrittlichen Arbeitsmarkt ebenfalls normal ist, dass die Anforderungen steigen und sie nicht jeder erfüllt?
  • Wie kann Einwanderung das Problem des Fachkräftemangels lösen, wenn ausländische Ausbildungen nicht dem deutschen Standard entsprechen oder die Integration nicht gefördert wird?
  • Wieso setzt die Politik nicht mehr an der „Wurzel“ des Problems an und fördert mehr Geburten durch bessere Sozialleistungen für junge Eltern?
  • Was sind die Hauptursachen des Fachkräftemangels in bestimmten Regionen? Ist es immer die Demographie oder spielen auch andere Faktoren wie die Bildungspolitik eine Rolle?
  • Viele Arbeitgeber beklagen, dass sie offene Stellen nicht belegen können. Wiederum gibt es viele gut ausgebildete Fachkräfte, die arbeitslos sind. Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären?
  • Welche Rolle spielt die Regulierung des Arbeitsmarktes? Verschlimmern Kündigungsschutz und Mindestlöhne die Lage des Fachkräftemangels?
  • Inwiefern kann eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen oder staatlichen Institutionen dem Fachkräftemangel entgegenwirken?
  • Inwiefern beeinflusst der Fachkräftemangel die Internationalisierung? Sind Unternehmen eher dazu gewillt, im Ausland zu investieren und warum?
  • Welche Auswirkung wird die 4-Tage-Woche auf den Fachkräftemangel haben? Vor allem wenn sich diese in Bürojobs umsetzen lässt, während Köche weiterhin 60 – 70 Stunden in der Woche arbeiten müssen?